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FAQ - Haftungsrisiko des Arztes bei digitalen Angeboten

A) Ärztliche Haftung bei Fernbehandlungsleistungen

Die Erlaubnis zur ausschließlichen Fernbehandlung stellt eine Ausnahme zum Goldstandard des persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts dar. Sie kann bei Vorlage folgender Voraussetzungen durchgeführt werden:

  • ärztlich vertretbar und
  • erforderliche ärztliche Sorgfalt wird gewahrt und
  • Aufklärung des Patienten über Besonderheiten dieser Behandlungsart

Ärztliche Haftung bei der ausschließlichen Fernbehandlung

Wie ist die ärztliche Haftung bei der ausschließlichen Fernbehandlung geregelt?

Die ärztliche Haftung bei der ausschließlichen Fernbehandlung entspricht der bisherigen Haftung des Arztes in der analogen Behandlung. Die Haftung besteht bei einem Verstoß gegen den Behandlungsvertrag (§ 630a – 630h BGB) und gegen das sogenannte Deliktsrecht (§ 823 BGB). Die Haftung tritt ein bei:

a) fehlender Vertretbarkeit der Fernbehandlung
b) Verstoß gegen die ärztliche Sorgfaltspflicht
c) Gerätesicherheit/vollbeherrschbare Risiken
d) Technisches Überwachungsverschulden (Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG), Nummer 10 § 75b)
e) Übernahmeverschulden (§ 630h Abs. 4 BGB)

Weitere Informationen zu a) finden Sie unter Haftung bei fehlender Vertretbarkeit der Fernbehandlung
Weitere Informationen zu b) finden Sie unter Haftung bei Verstoß gegen ärztliche Sorgfaltspflicht
Weitere Informationen zu c) finden Sie unter Haftung für Gerätesicherheit/vollbeherrschbare Risiken
Weitere Informationen zu d) finden Sie unter Technisches Überwachungsverschulden
Weitere Informationen zu e) finden Sie unter Übernahmeverschulden

Wie verhält sich die Haftung bei Einsatz medizinisch-technischer Geräte zur Fernbehandlung?

Dabei handelt es sich um ein vollbeherrschbares Risiko (Vermutungsregel §630h Abs. 1 BGB, Bödmer GuP 4/2019). Wichtig für den Behandler ist: Bedienung, Wartung und Kontrolle der eingesetzten Gerätschaften sind stets zu dokumentieren.

Weitere Informationen finden Sie unter Haftung bei Einsatz medizinisch-technischer Geräte zur Fernbehandlung

Wer haftet beim Einsatz von Gesundheits-Apps?

Der Arzt ist bei der Verwendung von künstlicher Intelligenz (KI) für die Anwendungsentscheidung, Auswahl der Methode und Verifizierung der Ergebnisse nach den Grundsätzen der ärztlichen Haftung im Behandlungsvertrag verantwortlich (Bödmer, GuP 4/2019). Der Arzt haftet nicht, wenn er nicht erkannte oder nicht erkennen konnte, dass die von der KI vorgeschlagene Behandlung fehlerhaft ist. Empfiehlt der Arzt eine App, hat er die straf- und wettbewerbsrechtlichen Normen / Korruptionstatbestände nach StGB, SGB V und (Muster-) Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä) zu beachten.

Weitere Informationen finden Sie unter Einsatz von Gesundheits-Apps

Haftungsgrenzen bei Fernbehandlungsleistungen

Ist der Patient mitverantwortlich?

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Patient, der den Vorteil der telemedizinischen Behandlung nutzt, mit einer hinter dem Standard zurückbleibenden Behandlung einverstanden ist.

Weitere Informationen finden Sie unter Mitverantwortung des Patienten

Welche Mitverantwortung trägt der Gerätehersteller?

Der Arzt muss keine Garantie für das fehlerfreie Funktionieren der von ihm eingesetzten medizinisch-technischen Apparate übernehmen. Damit trägt er ohne eigenes Verschulden nicht das Produkthaftungsrisiko. Der Arzt haftet für die Mangelfreiheit, Funktionstüchtigkeit und korrekte Bedienung der von ihm eingesetzten Geräte. Demgegenüber haftet der Arzt nicht für einen für den Arzt nicht erkennbaren Konstruktionsfehler. Hierfür haftet der Hersteller des Gerätes auf Basis des Deliktsrechts.

Weitere Informationen finden Sie unter Mitverantwortung des Geräteherstellers

Haftet die Krankenkasse bei der Empfehlung von Apps?

Wenn eine private oder gesetzliche Krankenkasse den Gebrauch einer App in ein Versicherungsverhältnis einbindet (im Rahmen von Bonusprogrammen, Disease-Management-Programmen, als fakultative Satzungsleistung oder durch Programme zur Förderung der Prävention) haftet die Krankenkasse nach §§ 278, 280 BGB (Bödmer, GuP 4/2019).

Weitere Informationen finden Sie unter Haftung der Krankenkasse

Haftung des Arztes aus anderen Anspruchsgrundlagen bei ausschließlicher Fernbehandlung

Welche Haftung gilt bei Verstoß gegen Pflichten aus dem Fernabsatzvertrag?

Strittig ist, ob die Fernbehandlung den Regelungen des Fernabsatzes unterliegt. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) verneint dies, mit Hinweis auf den Ausschluss gemäß § 312 Abs. 2 Nr. 7 BGB. Rechtssicherheit wird jedoch erst gegeben sein, wenn die Anwendbarkeit des Fernabsatzrechts auf die ausschließliche Fernbehandlung gerichtlich überprüft wurde.

Weitere Informationen finden Sie unter Pflichten aus dem Fernabsatzvertrag

Gibt es ein Werbeverbot für Fernbehandlung?

Mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) wurde das Heilmittelwerbegesetz (HWG) entsprechend ergänzt, so dass das Werbeverbot für die Fernbehandlung aufgehoben ist.

Weitere Informationen finden Sie unter Werbeverbot für Fernbehandlung gem. § 9 HWG

Gibt es ein Arzneimittelabgabeverbot bei Fernbehandlung?

Das Arzneimittelabgabeverbot bei Fernverordnungen gem. § 48 Abs. 1 S. 2, 3 AMG a.F. wurde am 09.08.2019 gestrichen.

Weitere Informationen finden Sie unter Arzneimittelabgabeverbot

Was muss im Bereich Datenschutz beachtet werden?

Haftungsrelevant ist die Frage, wer für die Datenverarbeitung verantwortlich ist, die anlässlich der telemedizinischen Behandlung erfolgt. In der Praxis stellt sich diese Frage für Telemedizindienste, die über Plattformkooperationen angeboten werden, wie bspw. bei der Videosprechstunde in der Arzt-Plattformbetreiber-Kooperation. In seiner Entscheidung aus dem Jahr 2018 sieht der EuGH eine gemeinsame Verantwortlichkeit für telemedizinische Plattformkooperationen. Bei gemeinsamer Verantwortlichkeit sieht die Datenschutzgrundverordnung vor, dass eine transparente vertragliche Vereinbarung zur eindeutigen Zuweisung der datenschutzrechtlichen Verantwortung erfolgt.

Weitere Informationen finden Sie unter Haftung aus Datenschutz

B) Haftungsrisiko des Arztes bei digitalen Angeboten: Nutzung der elektronischen Patientenakte

Gesetzliche Grundlage der elektronischen Patientenakte (ePA) ist § 291a SGB V. Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) werden die Krankenkassen verpflichtet, für ihre Versicherten elektronische Patientenakten spätestens ab 2021 anzubieten. Für den Patienten bleibt die Teilnahme freiwillig. Die Datenhoheit besitzt der Patient. Folgende Risiken bei Nutzung der ePA sind haftungsrelevant:

Kann der Arzt von einer Datenkonsitenz ausgehen?

Aufgrund der beim Patienten angesiedelten Datenhoheit kann der Arzt prinzipiell nicht von einer medizinisch vollständigen Akte ausgehen. Nach § 630c BGB sollen Behandelnder und Patient zur Durchführung der Behandlung zusammenwirken. Löscht also der Patient Daten oder stellt er diese dem Arzt nur selektiv zur Verfügung, können die Grundsätze der Non-Compliance, also der mangelnden Mitarbeit des Patienten, übertragen werden. Um dem Arzt eine Beweisführung zu ermöglichen müssen technische Möglichkeiten gefunden werden, die die Datenkonsistenz bzgl. des Behandlungsverlaufs betreffend sichern.

Weitere Informationen finden Sie unter Datenhoheit des Patienten

Birgt die zunehmende Datenmenge ein Risiko?

Zunehmende Datenmenge birgt ebenfalls das Risiko der Fehldiagnose und -behandlung, wenn es dem Arzt nicht ermöglicht wird, die Informationen zu filtern. In die Diagnose fließen Anamnese, eigene Untersuchungen und Befunderhebungen ein. Auch in der analogen Behandlung hat der Arzt Fremdanamnesen zu berücksichtigen. Umfang und Grenzen bestimmen sich nach der ärztlichen Sorgfaltspflicht und diese nach dem jeweiligen Facharztstandard.

Weitere Informationen finden Sie unter Datenmenge

Wann findet der Haftungsübergang zwischen Arzt und Datenbankbetreiber statt (Schnittstellenabgrenzung)?

Müssen mehrere Datenbanken betrieben werden, stellt sich die Frage nach der Schnittstelle des Haftungsübergangs zwischen Arzt und Datenbankbetreiber. Die sektoralen Schnittstellen und Integration offener Schnittstellen werden über § 291d der Gesellschaft für Telematik (gematik) zugewiesen und sollen über diese Stelle standardisiert werden. Die IT-Systeme der medizinischen Einrichtungen werden über den Konnektor mit der Telematikinfrastruktur (TI) verbunden. Am 26.07.2019 informierte die gematik: „Sofern die zugelassenen Komponenten (insbesondere der Konnektor) der TI bestimmungsgemäß verwendet werden und gemäß den mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik abgestimmten und im Betriebshandbuch der Komponente beschriebenen Anforderungen durch den Leistungserbringer aufgestellt und betrieben werden, scheidet eine Haftung des Leistungserbringers nach der Datenschutzgrundverordnung in jedem Fall aus“.

Weitere Informationen finden Sie unter Schnittstellenabgrenzung

Was muss beachtet werden, wenn KI, Wearabeles und Gesundheits-Apps verwendet werden?

Wearabeles und Gesundheits-Apps sollen in die ePA aufgenommen werden, ebenso in das Verzeichnis erstattungsfähiger digitaler Gesundheitsanwendungen. Gehören diese damit zur Regelversorgung, müssen sie für den Arzt als standardisiert gelten. Bedient sich der Arzt einer KI zur Unterstützung seiner Behandlung bleibt die Letztverantwortung bei ihm, d.h. für die Auswahl, Verifizierung der Ergebnisse, Anwendungsentscheidung etc.

Weitere Informationen finden Sie unter Verwendung KI, Wearabeles und Gesundheits-Apps

Muss der Arzt das Versichertenstammdatendienst durchführen (Legitimationsrechte)?

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage der Identifizierbarkeit des Patienten im Fall der Fernbehandlung. Mit dem DVG wurde der Vertragsarzt, der eine telemedizinische Fernbehandlung erbringt, von der Pflicht zur Durchführung des Versichertenstammdatendienstes befreit (Bundestagsdrucksache 19/13438 S. 66).

Weitere Informationen finden Sie unter Legitimationsrechte

Wichtiger Hinweis

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