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Haftung bei Verstoß gegen Pflichten aus dem Fernabsatzvertrag

Strittig ist, ob die Fernbehandlung den Regelungen des Fernabsatzes unterliegt.

Dies wird von der KBV verneint, mit Hinweis auf den Ausschluss gemäß § 312 Abs. 2 Nr. 7 BGB (s. KBV: Fragenkatalog zur Fernbehandlung). Argumentiert wird mit der Gesetzesbegründung in Bundestagsdrucksache 17/12637, S. 47 zu § 312 Abs. 2 Nr. 7 BGB, die den Behandlungsvertrag gem. § 630a ff. BGB vom Anwendungsbereich ausschließt. Gleicher Ausschluss findet sich auch in Art. 3 Abs. 3a und b VRRL (Verbraucherrechtrichtlinie), bzgl. Pflege- und Gesundheitsversorgung.

In der Literatur wird der Fernbehandlungsvertrag jedoch als Fernabsatzgeschäft eingeordnet. Kommt das Fernabsatzrecht zur Anwendung, treffen den Arzt doppelte Informationspflichten aus einem regulären Behandlungsvertrag nach § 630c BGB und einem Fernabsatzvertrag nach § 312c BGB, vgl. hierzu Kaeding, MedR 2019, 290ff. Zusammengefasst wären dies:  

  • Vorvertragliche Informationspflichten, deren Umfang sich nach Art. 246a § 1 EGBGB (Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch) ergeben und welche Gegenstand des Vertrags werden, sollte nachträglich nichts anderes vereinbart werden, § 312d Abs. 1 S. 1 BGB. Hiervon umfasst sind wesentliche Eigenschaften der Dienstleistung. Wesentlich sind jene Eigenschaften, die nach der Verkehrsanschauung für die Willensbildung des Verbrauchers im Hinblick auf einen Vertragsschluss maßgeblich sind. Hierzu zählen auch rechtliche und tatsächliche Grenzen der Fernbehandlung (bspw. wenn eine Erkrankung nur im persönlichen Kontakt diagnostiziert werden kann).
  • Nach Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB sind Angaben zur Identität des Behandelnden zu machen, Überschneidungen zum Impressum nach § 5 TMG (Telemediengesetz) sind möglich. Dies gilt auch für Vertretungsärzte und für welchen Arzt/welche Praxis (inkl. dessen Adresse, Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB) sie diese Vertretung übernommen haben.
  • Weiterhin sind nach Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB grundsätzlich Angaben zum Gesamtpreis der Leistung zu machen. Dies ist bei Behandlungsverträgen nur selten möglich, sodass dem Patienten zumindest ein Kostenüberblick vorab zur Verfügung gestellt werden sollte. Ein Link zur Gebührenordnung der Ärzte sollte verfügbar sein.
  • Es hat eine wirtschaftliche Aufklärung gem. § 630c Abs. 3 BGB, § 12 Abs. 4 MBO-Ä stattzufinden, sodass erkennbar ist, welche Leistung in den GKV-Leistungskatalog fallen und welche nicht.
  • Zusätzliche Kosten durch das Fernkommunikationsmittel, insbesondere durch umfangreiche Uploads oder Kosten für bestimmte Software, Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB.
  • Informationen zu Zahlungsfristen sind nur erforderlich, wenn die Leistung nicht im GKV-Leistungskatalog gelistet ist (Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB).
  • Eine Informationspflicht über Gewährleistungsrechte (Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 8 EGBGB) ist hinfällig, da der Fernbehandlungsvertrag als Dienstleistungsvertrag keine Gewährleistungsrechte mit sich zieht (Ausnahme: Vertragszahnärzte § 136a Abs. 4 S. 3 SGB V)
  • Alle entgeltlichen und unentgeltlichen Serviceleistungen (Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB) sind zu nennen. Für Patienten sind in diesem Kontext besonders die Leistungen hinsichtlich Hausbesuche interessant (unter der Beachtung auf mögliche Kosten außerhalb des GKV-Leistungskatalogs, § 630c Abs. 3 BGB)
  • Behandelnde mit Internetpräsenz müssen ihre Berufsordnung per Link den Patienten zur Verfügung stellen (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 TMG, Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB)
  • Hinweise auf die zuständigen Beschwerdestellen (Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 16 EGBGB)

Der Einschätzung nach kann im Hinblick auf den Verbraucherschutz der Fernbehandlungsvertrag dem Behandlungsvertrag gleichgestellt werden, so dass der Rechtsauffassung der KBV zu folgen ist. Ein ausreichender Informations- und Aufklärungsschutz ist bereits über die § 630a ff. BGB gewährleistet. Rechtssicherheit wird jedoch erst gegeben sein, wenn die Anwendbarkeit des Fernabsatzrechts auf die ausschließliche Fernbehandlung gerichtlich überprüft wurde.

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