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Telemedizinische Unterstützung in der Nachsorge von Nierentransplantierten

Patienten, die nach einer Nierentransplantation ein Jahr lang eine telemedizinisch unterstützte Nachsorge mit Fallmanagement erhielten, hatten im Vergleich zu Patienten mit Regelversorgung eine bessere Therapie-Adhärenz und weniger ungeplante Krankenhausaufenthalte infolge von Komplikationen. Auch erholten sie sich schneller und konnten früher wieder arbeiten, wie die deutschlandweit erste Studie dieser Art am Universitätsklinikum Freiburg gezeigt hat. Obwohl das Nachsorgeprogramm mit Telemonitoring Einsparungen für das Gesundheitssystem bringt, musste es aufgrund fehlender Refinanzierung vorerst eingestellt werden.

Prof. Dr. med. Przemyslaw Pisarski, Leiter der Sektion Transplantationschirurgie, Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie des Universitätsklinikums Freiburg © P. Pisarski, Universitätsklinikum Freiburg

Gegenwärtig warten in Deutschland etwa 8.000 Dialysepatienten wegen eines endgültigen Nierenversagens auf eine Nierentransplantation mit dem wichtigen Vorteil einer deutlich höheren Lebenserwartung als an der Dialyse. Die Zahl wartender Patienten ist fast viermal so hoch wie die der pro Jahr übertragenen Organe. Allein 2016 wurden 3.348 Patienten zur Nierentransplantation angemeldet – dem stetig steigenden Bedarf steht ein dramatischer Rückgang an Organspendern gegenüber: So hat die Zahl hirntoter Organspender von etwa 1.300 im Jahr 2010 auf 857 im Jahr 2016 abgenommen (Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation, DSO). Entsprechend lang sind die Wartezeiten auf eine Transplantation; sie liegen oft bei zehn Jahren oder mehr. Für viele Dialysepatienten besteht als einzige Möglichkeit einer früheren Transplantation die Nierenlebendspende, bei der einem geeigneten lebenden Spender (der mit dem Empfänger verwandt oder nachweislich eng befreundet sein muss) eine Niere operativ entfernt und anschließend dem Empfänger eingepflanzt wird.

Professor Przemyslaw Pisarski, der Leiter der Sektion Transplantationschirurgie des Universitätsklinikums Freiburg, schildert die Vorteile dieses Verfahrens. Nicht nur kann die lange Wartezeit auf die Niere eines Verstorbenen beträchtlich verkürzt werden, auch ist die Operation genau planbar und kann – da die Explantation beim Spender und die Implantation beim Empfänger im gleichen Zentrum erfolgt – zeitlich optimiert werden. Jahrzehntelange Erfahrungen am Freiburger Transplantationszentrum zeigen, dass Nieren von Lebendspendern durch die dadurch mögliche, schonendere Art der Übertragung eine bessere Funktionsleistung und längere Funktionsdauer aufweisen als postmortal transplantierte Nieren. Wichtig für den Erhalt einer langen und guten Transplantatfunktion ist neben einer erfolgreichen, nach modernsten Standards durchgeführten Operation vor allem die optimale Nachsorge der Patienten.

Patienten-Selbstmanagement und pflegerisches, telemedizinisch unterstütztes Fallmanagement

Anja Schmid, Krankenschwester und DGCC(Deutsche Gesellschaft für Care und Case Management)-qualifizierte Case Managerin, Universitätsklinikum Freiburg © A. Schmid

Der Erfolg der Therapie hängt bei Empfängern eines Nierentransplantats ebenso wie bei chronischen Krankheiten entscheidend von der Patienten-Adhärenz ab. Darunter versteht man die Einhaltung der vereinbarten therapeutischen Maßnahmen und Ziele – wie zum Beispiel der Medikamenteneinnahme – durch den Patienten. Eine Reihe von Studien hat gezeigt, dass zwischen 16 und 36 Prozent aller Fälle, in denen es zum Verlust des transplantierten Organs kam, mit mangelnder Adhärenz zusammenhingen. Selbstmanagement-Programme, welche die Eigenverantwortung und Selbstfürsorge der Patienten fördern, sind für den Nachsorge-Prozess notwendig, doch müssen diese bei Nierentransplantat-Patienten mit einem sorgfältig abgestimmten pflegerischen Fallmanagement verbunden werden, wie Pisarski und sein Team in einer 2017 im „American Journal of Transplantation“ veröffentlichten Studie dargelegt haben.

Die Freiburger Mediziner entwickelten ein Nachsorgeprogramm, in dem Fallmanagement und persönlicher Kontakt kombiniert wurden mit Telemonitoring über einen interaktiven PC beim Patienten zuhause, um so früh wie möglich eingreifen zu können, falls sich Komplikationen einstellen sollten. In einem von der Europäischen Union im Rahmen des INTERREG IV Oberrhein-Programms geförderten Kooperationsprojekt der Universitätskliniken Freiburg und Straßburg wurde geprüft, ob sich für eine solche telemedizinisch unterstützte, fallbezogene Nachsorge im Vergleich zu einer klassischen Nachsorge im ersten postoperativen Jahr nach der Nierentransplantation ein medizinischer und ökonomischer Einfluss nachweisen lässt. Die Studie wurde in Freiburg mit Nierenlebendspende-Transplantationen durchgeführt. Entscheidend für deren Erfolg ist die vollständige Adhärenz zum Medikationsplan mit Immunsuppressiva, damit es nicht zu einer Transplantatabstoßung kommt.

Das Transplantationszentrum des Universitätsklinikums Freiburg gehört mit mehr als 3.500 Nierentransplantationen – davon seit 1993 über 600 Lebendnieren-Transplantationen – zu den wichtigsten Einrichtungen seiner Art in Deutschland. © Universitätsklinikum Freiburg

Das Team für dieses deutschlandweit erste Projekt von Fallmanagement mit Telemonitoring auf dem Gebiet der Nierentransplantationen bestand aus zwei Oberärzten, einem Transplantationschirurgen und einem Nephrologen, („senior transplant physicians“, STP) sowie einer Fall-Managerin für Nierentransplantat-Patienten („transplant nurse case manager“, TNCM). Diese Stelle wurde von der Krankenschwester und DGCC-qualifizierten Case Managerin Anja Schmid übernommen, die über langjährige Erfahrungen am Freiburger Transplantationszentrum verfügt und auch Erstautorin der oben genannten Publikation ist. Ihre Aufgabe war die tägliche Überprüfung der von den Patienten zuhause ebenfalls täglich in den medizinischen Fragenkatalog des PCs eingegebenen Daten. Im Falle von Auffälligkeiten oder Problemen konnte sie sofort mit dem Patienten kommunizieren und den STP informieren, der dann die angemessenen Maßnahmen einleitete. Die TNCM hatte auch bei Studienbeginn die Patienten intensiv in die Bedienung des interaktiven Terminals eingewiesen und stand mit ihnen über Mobiltelefon und bei Bedarf und Anforderung persönlich oder über den Telemonitor in ständigem Dialog.

Erfolge, Vorteile und Ersparnisse durch telemedizinische Zusatz-Nachsorge

Die Studienergebnisse zwölf Monate nach der Nierentransplantation ergaben, dass die überaus wichtige Adhärenz bezüglich der Einnahme der Immunsuppressiva bei der Patientengruppe mit telemedizinischer Zusatz-Nachsorge um durchschnittlich 10 bis 15 Prozent höher lag als bei der Kontrollgruppe. Besser als bei Patienten mit Regelversorgung waren bei der Gruppe mit telemedizinisch unterstütztem Fallmanagement auch die krankheitsspezifische Lebensqualität im Bereich der Nebenwirkungen der Kortisonbehandlung und der Belastung durch Herz- und Niereninsuffizienz. Weil sich Patienten dieser Gruppe schneller erholten und früher zu einem effektiven Selbstmanagement im Alltag fanden, hatten drei Monate nach der Operation durchschnittlich die Hälfte schon wieder zu arbeiten begonnen, während es in der Kontrollgruppe nur etwa 25 Prozent waren.

Pisarski und seine Kollegen analysierten auch die Kosten einer solchen telemedizinischen Zusatz-Nachsorge bei Nierentransplantationen und ihre Auswirkungen auf das Gesundheitssystem. Die Kosten einschließlich aller Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte während des zwölfmonatigen Beobachtungszeitraums lagen pro Patient wegen der deutlich geringeren Zahl und Verweildauer ungeplanter Krankenhausaufenthalte bei kaum mehr als der Hälfte der Kosten mit konventioneller Nachsorge (5.500 € gegenüber 10.450 €). Abzüglich der Mehrkosten für das telemedizinisch unterstützte Fallmanagement ergaben sich (bei flexiblen, von der Zahl der betreuten Patienten abhängigen Personalkosten) Ersparnisse von etwa 2.000 € je Patient. Das deutsche Gesundheitssystem würde allein bei Lebendnierentransplantationen jährlich etwa 800.000 € einsparen, wenn das neue Nachsorgekonzept nur von den mittleren und großen Transplantationszentren übernommen würde, wie die Freiburger Mediziner empfehlen.

Es zeigte sich also, dass die durch die Telemedizin ermöglichte frühe adäquate Behandlung ernsthafte Komplikationen verringert, Hospitalisierungen reduziert und für den Kostenträger geringere Kosten verursacht. Dennoch wurde eine generelle Kostenübernahme von den baden-württembergischen Krankenkassen bisher abgelehnt. Das Universitätsklinikum Freiburg musste das so erfolgreiche telemedizinische Nachsorgeangebot für Nierentransplantat-Empfänger aus mangelnder Finanzierung zum 31.12.2016 vorläufig beenden. Es bleibt zu hoffen, dass Folgestudien, die unter anderem im Langzeitverlauf fünf Jahre nach der Transplantation durchgeführt werden, die Vorteile des telemedizinisch unterstützten Fallmanagements so verdeutlichen, dass eine Überführung des neuen Nachsorgeprogramms in die Regelversorgung doch noch erfolgt.

Literatur:

Schmid A, Hils S, Kramer-Zucker A, Bogatyreva L, Hauschke D, De Geest S, Pisarski P: Telemedically supported case management of living-donor renal transplant recipients to optimize routine evidence-based aftercare: A single-center randomized controlled trial. Am J Transplant 2017, XX: 1-12

Kaier K, Hils S, Fetzer S, Hehn P, Schmid A, Hauschke D, Bogatyreva L, Jänigen B, Pisarski P: Results of a randomized controlled trial analyzing telemedically supported case management in the first year after living donor kidney transplantation – a budget impact analysis from the healthcare perspective. Health Economics Review 2017, 7: 1-8

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